Pferdefütterung

VORSCHLÄGE ZUR OPTIMIERUNG DER KRAFT­FUTTER­FÜTTERUNG

Autor: Anne Heermann, Lesezeit: 2 Min. 

Das wohl meistdiskutierte Thema in Sachen Pferdehaltung und -fütterung. Hafer - ja oder nein? Mais - ja oder nein? Komplett getreidefrei - ja oder nein? Braucht ein Pferd überhaupt Kraftfutter, wenn ja wie viel darf/sollte es haben? Und dann geht es weiter mit Fragen nach der Stärke, ob eine Substitution von Proteinen bei Sportpferden Sinn macht und ob es nicht besser wäre das Pferd einfach nur mit Heu und Gras zu füttern. 

DIE GRUNDLAGEN ZUERST. 

In freier Wildbahn würde ein Pferd niemals auf ein Getreidefeld laufen und dort den Hafer oder die Gerste von den Ähren fressen. Es würde sich aber auch wahrscheinlich keine Äpfel von Bäumen pflücken oder Möhren aus der Erde ziehen. Von trockenem Brot mal ganz abgesehen. Das Pferd hat sich in Bezug auf seine Ethologie und seine Verdauungsphysiologie trotz Domestikation wenig bis gar nicht verändert. Doch aus der Haltung und Nutzung unserer Pferde als Freizeit- und Sportpartner hat sich eine andere Fütterung ergeben, als es früher natürlich war. Auch ein Mensch, der (Hoch-) Leistungssport betreibt, ernährt sich anders als jemand der sportlich weniger aktiv ist. 

KRAFTFUTTERMANAGEMENT 

Für 1 kg Hafer braucht ein Pferd ca. 10 Minuten, für ein Kilogramm Heu 45 bis 50 Minuten. Kraftfutter wird dabei deutlich weniger gekaut und eingespeichelt als Raufutter. Das Kraftfutter erreicht also schnell den Magen des Pferdes, hat dort aber eine deutlich höhere Verweildauer als Raufutter.
Um Probleme zu vermeiden, sollte die tägliche Menge an Kraftfutter und die Art des Kraftfutters beachtet werden. Generell gilt das eine maximale Menge von 1 kg Kraftfutter pro 100 kg Soll-Lebendmasse nicht überschritten werden darf, wobei die einzelnen Portionen nicht über 0,3 kg/100 kg Soll-Lebendmasse liegen sollten. Hier ist auch zu unterscheiden ob es sich um eine reine Getreideration, eine Teilgetreideration oder um eine getreidefreie Fütterung handelt. Getreidefreie oder Teilgetreiderationen sind deutlich schonender für den gesamten Magen-Darmtrakt. 

Im besten Fall wird der Erhaltungsbedarf des Pferdes an Energie schon über das Raufutter gedeckt und nur der Mehrbedarf an Energie über Kraftfuttergaben bezogen. In diesem Hinblick auch zu beachten ist der Zeitpunkt der Kraftfutterfütterung. Studien haben gezeigt, dass der Magen-Darmtrakt geschützt werden kann, wenn Raufutter immer mindestens 15 Minuten vor dem Kraftfutter gefüttert wird. Auf diesem Wege fressen die Pferde ihr Kraftfutter weniger hastig und auch die Magensäure wurde bereits abgepuffert. 

ENERGIE, MINERALSTOFFE, VITAMINE, AMINOSÄUREN…

Primäres Ziel des Kraftfutters ist es einen Mehrbedarf an Energie zu decken. Ein solcher Mehrbedarf entsteht bei zu geringer Energiezufuhr über das Raufutter (Heu) im Erhaltungsbedarf sowie bei der vom Menschen geforderten Arbeit, welche über den Erhaltungsbedarf hinausgeht. Unstrittig ist hierbei auch der Bedarf des Pferdes an Mineralstoffen und Vitaminen, welcher aus Gräsern und Heu mitteleuropäischer Böden nicht gedeckt werden kann (siehe dazu auch Mineralstoffe und Vitamine). Diese sollten also auch bei extensiver Weidehaltung immer substituiert werden.
Jetzt wird es schon etwas schwieriger. 

Pferde ernähren sich, ihrer Art entsprechend, von ballaststoffreicher Nahrung und sind sogenannte „Dickdarmverdauer“. Das gefressene Gras, welches große Mengen unverdaulicher Kohlenhydrate enthält, wird im Dickdarm von Mikroorganismen fermentiert und die Abbauprodukte aufgenommen.

Hauptenergieträger von Getreide ist die Stärke. Das stärkespaltende Enzym Amylase ist im Dünndarm des Pferdes weit weniger aktiv als beim Menschen. So können bei der Verfütterung von zu großen Stärkemengen große Mengen des Mehrfachzuckers den Dünndarm des Pferdes unverdaut passieren und in den Dickdarm übergehen. Dort sorgen sie für ein Ungleichgewicht mit Folgen wie z.B. Dickdarmazidosen, Kotwasser oder Koliken. Daher gilt eine Fütterung von Stärke pro Ration:
1 g Stärke pro kg Lebendmasse pro Mahlzeit.
1 kg Hafer = 400 g Stärke
600 kg LM * 1,0 g Stärke = 600 g Stärke / Mahlzeit
1 kg Hafer / 400 g * 600 g = 1,5 kg Hafer / Mahlzeit
Theoretisch kann ein 600 kg schweres Pferd maximal 1,5 kg Hafer pro Ration optimal verdauen. Eine Mehrgabe an Hafer pro Ration führt folglich zwangsweise aus physiologischen Gründen zu einem unnötigen Stärkeeintritt in den Dickdarm.
In der Praxis sollte dies berücksichtigt werden.

Vergleich getreide- und stärkereduziertes Sportpferdefutter: (andere ENERGIELIEFERANTEN)
1 kg getreide- und stärkereduziertes Müsli = 179 g Stärke
1 kg getreide- und stärkereduziertes Müsli / 179 g * 600 g = 3,35 kg, aber Achtung!

Dies ist nur theoretisch auf Basis der Stärke! Hier sollte allerdings die Restriktion von maximal 0,3 kg Kraftfutter pro 100 kg Soll-Lebendgewicht beachtet werden. Das bedeutet bei einem 600 kg schweren Pferd unter Berücksichtigung aller Regeln eine Fütterung von maximal 1,8 kg dieses getreide- und stärkereduzierten Müslis pro Ration. Und Maximal 6 kg pro Tag!

So kann auch die Frage nach Hafer mit ja oder nein beantwortet werden. Hier ist die Fütterung individuell auf die Bedürfnisse des Pferdes anzupassen! Bei bereits bestehenden Erkrankungen des Stoffwechsels sollte möglichst auf Zucker und Stärke verzichtet werden. Für gesunde Pferde stellen Getreide einen guten Energielieferanten dar.

Nun zu den Fetten: Mit der Erkenntnis, dass große Mengen Stärke für das Pferd ein Problem darstellen, wurde zunehmend Fett als alternative Energiequelle verwendet. Doch auch Fette stehen nicht auf dem ursprünglichen Ernährungsplan eines Pferdes, dennoch haben sie sich in vielerlei Hinsicht als gute Alternative entpuppt. Auch hier gilt jedoch: Die Menge machts.
Pferde haben keine Gallenblase. Die Verdauungssäfte, die von der Leber produziert werden, gelangen so direkt und kontinuierlich in den Dünndarm des Pferdes und sorgen für die Verdauung der Fette. Gleichzeitig können Vorteile in der Fütterung von Öl gesehen werden. Zum einen wird die Ration energetisch aufgewertet, zum anderen steigt die Verfügbarkeit von Vitaminen (A, D, E, K). Außerdem können immunologische und metabolische Wirkungen mithilfe von omega-3-Fettsäuren, wie die Alpha-Linolensäure des Leinöls, erzielt werden. Omega-3-Fettsäuren haben eine entzündungshemmende Wirkung und eignen sich gut als Energiequelle von, zum Beispiel, Cushing Patienten. 

AMINOSÄUREN 

Essentielle Aminosäuren > 

ZUSAMMENFASSUNG:

Kraftfutter hat in der Fütterung von Pferden durchaus seine Berechtigung. Besonders dann, wenn der Energiebedarf nicht über Raufutter allein zu decken ist oder aber Erkrankungen bestehen, die die Gabe von bestimmten Futterkomponenten notwendig macht oder aber ausschließt. Es gibt auch bestimmte, hier nicht genannte Futterkomponenten wie ölreiche Samen oder Kräuter, welche sich für Pferde zur Deckung des Nähr- und Mineralstoffbedarfs eignen, in jedem Fall sollte jedoch die maximale Kraftfuttermenge die oben genannte Menge nicht überschritten werden.
Eine Limitierung der Stärkeaufnahme ist in jedem Fall gerechtfertigt, besonders bei Magen-Darm empfindlichen Pferden. Trotzdem ist Getreide nicht zu verteufeln. 

Quellen:
Meyer und Coenen 2014
Zeyner et al. 2011
Rosenfeld und Austbo 2009
Lutherson et al. 2009
Siliciano und Wood 1993
Zeyner et al. 1995
Zeyner et al. 1999
Kienzle et al. 2003
Zentek et al. 1992
Zeyner et al. 2002
Graham-Thiers et al. 2005
Van den Hoven et al. 2010